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In- und Outsourcing Braucht ein gutes E-Commerce-Modell wirklich Agenturen zur Hilfe?

Wann macht es Sinn, eine Agentur zu beauftragen? Und welche Bereiche sollten E-Commerce-Unternehmen lieber inhouse abwickeln? Als Gründer der D2C-Brand Mokebo, die komplett auf Bootstrapping setzt, muss Philip Kehela strikter als VC-finanzierte Start-ups haushalten. Und hat seine eigenen Learnings gezogen.

Autor: Philip Kehela, Gründer von Mokebo

Wenn es darum geht, ein florierendes E-Commerce-Unternehmen aufzubauen, stellt sich früher oder später die Frage, ob man für bestimmte Unternehmensbereiche die Unterstützung von Agenturen in Anspruch nehmen möchte. Schließlich sind die Potenziale, die eigene Unternehmensperformance zu steigern, vielfältig - von A wie Advertising bis zu W wie Webshop-Development. Das Angebot an externen Dienstleistern, die bei der Erreichung der Unternehmensziele unterstützen können, ist nicht weniger umfangreich: Laut Statistischem Bundesamt gibt es in Deutschland etwa 24.000 Werbeagenturen, also Agenturen, die sich schwerpunktmäßig mit Werbung und Marketing beschäftigen (Zahl von 2020). Da müsste doch sicherlich ein geeigneter Partner dabei sein?

Die DIY Mentalität

Als E-Commerce Start-up oder KMU ist der Hang zum “Selbermachen” für gewöhnlich groß. Anstatt einen erheblichen Teil des begrenzten Budgets für die Zahlung einer Agentur aufzuwenden, entscheiden sich viele, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Eigeninitiative meets Trial & Error. Dass dabei andere knappe Ressourcen, Zeit und Manpower, draufgehen, rückt angesichts der gesparten externen Kosten oftmals in den Hintergrund. 

Um herauszufinden, ob DIY-Approach oder Agentur unterm Strich rentabler sind, muss man genau hinschauen. In diesem Zusammenhang hilft es, sich die Vor- und Nachteile einer Zusammenarbeit mit Agenturen bewusst zu machen.

Darum können Agenturen eine Bereicherung für dein E-Commerce Business sein

1. Expertise: Agenturen verfügen über umfangreiches Fachwissen und Erfahrung in ihrem jeweiligen Bereich, von denen dein Unternehmen profitieren kann. Das kann besonders für Start-ups hilfreich sein, die noch wenig Erfahrung in bestimmten Bereichen haben.

2. Personelle Entlastung: Eine Agentur kann dafür sorgen, dass interne Ressourcen freigesetzt werden, die dann sinnvoll für andere Aufgaben genutzt werden können, welche keine externe Expertise erfordern. Auch dies kann vor allem für kleinere Start-ups, die über wenig Personal verfügen, sinnvoll sein.

3. Netzwerke: Durch ihre meist jahrelange Arbeit für eine Vielzahl an Kunden haben Agenturen oft ein starkes Netzwerk an Kontakten, die für eure gemeinsame Arbeit sehr wichtig sein können und den Erfolg beschleunigen. Wir haben bspw. in 2021 vor allem für die Anfänge unserer Unternehmenskommunikation die Erfahrung gemacht, dass man ohne externe Unterstützung und deren Netzwerk kaum einen Zugang zu gewissen Medien erhält.

Welche Nachteile kann es haben, mit Agenturen zusammenzuarbeiten?

1. Kosten: Dass Agenturen teuer sind, ist nicht ohne Grund in den meisten Köpfen fest verankert. Je nach Projekt und Aufgabenumfang können sich schnell fünfstellige Beträge ergeben, die gerade für junge E-Commerce-Unternehmen, die häufig noch über wenig finanzielle Mittel verfügen oder selbstfinanziert sind, ein Hindernis darstellen. Was als letztendlich "teuer" bewertet wird, ist natürlich immer relativ.

2. Abhängigkeit: Setzt eine Firma zu sehr und zu lange auf externe Agenturen, entsteht eine hohe Abhängigkeit und das Unternehmen wird über die Zeit unbeweglicher. Das kann zu Problemen führen, wenn man die Zusammenarbeit beenden möchte, wenn die Agentur nicht mehr zur Verfügung steht oder man einen Geschäftsbereich insourcen möchte.


3. Kommunikationsaufwand: Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit müssen Agentur und Auftraggeber klar miteinander kommunizieren - was ist von höchster Priorität und woraus liegt ein besonderer Fokus? Damit keine Kommunikationslücke entsteht, braucht es Onboardings, Briefings und regelmäßige Absprachen. Auch all das erfordert Zeit. Denn jede Firma, jede Produktgruppe und jedes Geschäftsmodell ist unterschiedlich. Das haben wir beispielsweise in unserer Zusammenarbeit mit einer externen Mitarbeiterin für Paid Social gelernt. Mokebo ist schon sehr anders als andere E-Commerce-Modelle - das bedurfte an Kommunikation.

Wann können Agenturen für junge E-Commerce Startups sinnvoll sein?

Kurzfristig kann es sicherlich sinnvoll sein, in bestimmten Bereichen mit Agenturen zusammenzuarbeiten, um ganz neue Geschäftsbereiche aufzubauen und diese direkt mit der notwendigen Expertise zu starten. Mittel- und langfristig sollten zentrale Geschäftsbereiche meiner Meinung nach aber ingesourced werden, um die Intellectual Property im Unternehmen aufzubauen, zu verankern und sicherzustellen, dass die eigene Agenda auch bestmöglich verfolgt wird. Bei dieser Art von Entscheidung ist es immer wichtig zu berücksichtigen, wie viel Wertschöpfung das Unternehmen schon heute bei sich hat und halten möchte. Handelt es sich zum Beispiel um ein Geschäftsmodell, bei dem sehr viel Wertschöpfung in der Herstellung oder Entwicklung der Produkte liegt, könnte es Sinn machen, andere Bereiche wie Advertising und Webshop Development an externe Dienstleister auszulagern.

Bei Mokebo stehen wir dem Thema Agentur oder auch Freelancing sehr offen gegenüber und haben in der Vergangenheit entschieden, in bestimmten Bereichen wie Pressearbeit oder Paid Social mit externen Partnern zusammenzuarbeiten. Diese Erfahrungen wollen wir auch auf keinen Fall missen. Allerdings gibt es auch triftige Gründe, warum Outsourcing bei uns immer seltener geworden ist: Erstens ist Mokebo bis heute komplett eigenfinanziert. Zudem haben wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine sehr große vertikale Wertschöpfung und arbeiten mit ganz unterschiedlichen Produktionspartnern zusammen oder mit Marktplätzen, auf denen wir unsere Produkte listen. Entsprechend sind wir auf der Kostenseite limitiert und müssen mit unseren Budgets genauestens haushalten. Dadurch haben wir für die Beauftragung von Agenturen tendenziell weniger Mittel zur Verfügung als VC-finanzierte Start-ups und müssen sehr viel Wert auf Insourcing und Optimierung legen. Zusätzlich ist die Möbelbranche aufgrund der sehr hohen Versandkosten für schwere Möbel im E-Commerce weniger margenstark als beispielsweise Fashion oder Nahrungsergänzungsmittel. Der Kostenfaktor wiegt für Unternehmen, die auf Bootstrapping setzen, im Home & Living Segment also besonders schwer. 

Ich habe in den vergangenen Jahren mit vielen tollen Agenturen für verschiedene Geschäftsbereiche gesprochen und mich viel mit dem Für und Wider von Agenturen beschäftigt. Ich kann deshalb jede Ausrichtung verstehen, solange man fundamental und bewusst entscheidet, warum welcher Weg gewählt wird. Wenn beispielsweise ein reifes, margenstarkes Business, dass sich für eine bestimmte Kategorie einen starken Markenwert erarbeitet hat, beginnt, alle anderen Geschäftsbereiche, vom Webshop Development über Marketing, Pressearbeit und Kundensupports zu insourcen, dann ist das aus meiner Sicht der genau richtige Weg. In diesem Fall zu lange in Log-in-Effekten zu externen Partnern "festzustecken", ist hingegen ein Risiko.

Die Entscheidung für oder gegen eine Zusammenarbeit mit einer Agentur hängt also stark von den individuellen Umständen und Zielen des Unternehmens ab. Und auch wie erfolgreich und profitabel die Zusammenarbeit letztendlich ist, wird von einer Vielzahl an individuellen Faktoren wie Kommunikation und Expertise beeinflusst. Eines ist sicher: Agenturen haben eine elementare Daseinsberechtigung im E-Commerce-Mix und können genau da ansetzen, wo sie für Start-, Grown- und Scale-Ups gerade den meisten Mehrwert liefern.

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Dieser Artikel erscheint in Zusammenarbeit mit dem Linkedin-Newsletter “Can you HANDEL it?” von Philip Kehela. Wer mehr von Philip lesen will - hier geht's zum Abo.

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