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Shutterstock / Javid Kheyrabadi

Prognose Wie sich 2023 im D2C die Spreu vom Weizen trennt

Das Jahr 2023 wird einen beschleunigten Reifeprozess für den deutschen D2C-Markt erzeugen. Während die einen ums nackte Überleben kämpfen, wachsen andere weiterhin zwei- oder dreistellig. Die Execution Excellence des D2C-Playbooks macht den Unterschied.

Nicht wenige D2C-Start-ups kämpfen 2023 ums nackte Überleben. Das betrifft insbesondere alle, die mit Venture Capital gestartet sind und keine weiteren Finanzierungsrunden erhalten (haben). Aber auch viele im Bootstrapping-Modus, die noch nicht ausreichend profitabel sind, wird die Energie- und Konsumkrise in echte Schwierigkeiten bringen. 

Die Folge ist absehbar eine deutliche Selektion im Markt. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite sehen wir Hunderte D2C-Brands, die auch aktuell deutlich zwei- und nicht selten auch dreistellig wachsen. Wie kann das sein? Ganz einfach: Diese Marken beherrschen das D2C-Playbook für ihre Ziel- und Warengruppe einfach perfekt. Sie „fischen“ immer noch jeden Tag genug Neukunden und verstehen zugleich das Bestandskunden-Management. Ihnen macht es nichts aus, dass die Nachfrage um 20 Prozent runter- und die Marketingkosten um 20 Prozent hochgehen. 

Was D2C-Playbooks mit Pyramiden gemeinsam haben

Man muss sich das D2C-Spiel wie einen Pyramidenbau vorstellen. Entschieden wird das Spiel stets in den obersten Aufgabenebenen, aber man benötigt auch alle anderen Leistungsebenen im Portfolio. Am Anfang – also vor so etwa 10 bis 15 Jahren – konnte man mit SEO-Kompetenz (Backlinks / Link-Farming) sein Business steuern. Dann kamen SEA bzw. Performance Marketing. Heute sind diese Kompetenzen die unterste Stufen der Leistungspyramide. Ohne diese top notch zu beherrschen, gewinnt man keinen Blumentopf und keine Kunden. Aber der Erfolg entscheidet sich ein dutzend Stufen weiter oben – aktuell vor allem in den Segmenten Social Commerce und Retention Management (deutsch: Kundenbindung). 

Ja, das klingt nach „alter Hut“. Doch nicht das „Was“, sondern das „Wie“ entscheidet. Denn erstens muss man im D2C-Business stets Meta, Google und Amazon eine Nasenlänge voraus sein. Und zweitens geschieht das alles in direkter Interaktion mit den eigenen Endkunden. Und diese sind picky und verzeihen nur wenige Fehler. 

Mittelständler und Konzerne, die in den vergangenen zwei Jahren ihre ersten D2C-Initiativen gestartet haben, sind von dieser Execution Excellence oft noch ein gutes Stück entfernt. Sie werden noch einiges an Lehrgeld bezahlen müssen und haben dies teilweise auch schon getan. Im Idealfall beobachten sie jetzt die Erfolgshacks der D2C-Brands in der Krise und lernen schnell daraus.

Und was bewegt die Branche in diesem Jahr ganz konkret?

in den kommenden Quartalen prägen diese Themen und „Growth Hacks“ das D2C-Business. Im Fokus steht dabei – wenig überraschend – Marketingeffizienz

  • Paid Social (insbesondere in Meta) ist relativ ausgereizt. Es geht gen neue Plattformen (TikTok, Twitch, Discord, Roblox etc.) und vor allem hin zu Influencern und Creators (Spoiler: Die Anzahl der Influencer- und Creator-Brands bzw. Wachstum und Extensions selbiger wird deutlich zunehmen. Es sind aber nicht nur die wenigen "großen" wie Jeremy Fragrance oder Karo Kauer, sondern – wie bei den D2C Brands selbst – der Schwarm der vielen! "It’s a creator economy!")
  • Fokus auf Community und ein optimiertes CRM-Modell 
    • Beispiel: Sehr viele D2C Brands (in den USA) haben zum Black Friday/Cyber Monday nur ihre Bestandskunden angesprochen, mit Rabatten oder speziellen Produkten/Bundles versorgt.
    • E-Mail- und Newsletter-Marketing erleben eine zweite (oder dritte) Renaissance (auch dank Klaviyo & Co)
    • In den USA ist die SMS bereits sehr dominant, bei uns wird Messenger Marketing/Whatsapp-Marketing zentral im D2C-Game (siehe Charles, MessengerPeople etc.)

  • Die Reichweiten (die man sich selbst nicht leisten kann) von anderen gezielt nutzen, in verschiedenen Spielarten wie bspw.
    • „Feed hacking“, sich an Themen und Reichweiten von anderen Brands und Meinungsmachern ranhängen
    • „Activism Marketing“, trendige Themen polarisierend aufgreifen, in die eigenen Zielgruppen tragen
    • Marketing und Sales-Kooperationen mit anderen Brands (horizontal/vertikal)
    • Unverändert: PR, Affiliate und sonstige "Empfehler-Ansätze" (Adventskalender)

  • D2C-Brands gehen In den Handel, nicht nur über Ankorestore, Faire oder Orderchamp im „Independent Retail“, sondern auch in die Filialisten und Flaggschiffe (Douglas, DM, Rossmann, Intersport, Breuninger). Und zwar aus zwei Gründen: Um neue Zielgruppen und online nicht erreichbare Frequenzen zu nutzen und weil die Händler inzwischen die neuen, frischen Brands wollen, sich einkaufsseitig darauf einstellen bzw. sich sogar Web-to-Store-Effekte erwarten!

  • Echte Nachhaltigkeit und Circular-Ansätze in der Nische. Nicht nur als "Second-Hand-Angebot für den kleineren Geldbeutel der Kundschaft", sondern auch weil Investoren an langfristigen Circular-Modellen hohes Interesse haben.

Das Jahr 2023 wird einen beschleunigten Reifeprozess für den deutschen D2C-Markt erzeugen. Und für viele etablierte Marken und Mittelständler wird sich womöglich eine einmalige Möglichkeit ergeben, "günstig" nach vorne bzw. an sehr gute Ressourcen zu kommen. 

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