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Wagner / Ioniq

B2B2C Warum auch B2B-Anbieter über D2C nachdenken sollten

Der Maschinenbauer Wagner nutzt seine Sprühtechnik inzwischen auch für eine D2C-Kosmetik-Brand namens Ioniq. Und Caterpillar produziert mit seinem Know-How in Sachen Bergbau unkaputtbare Smartphones. Doch abgesehen von diesen Beispielen ist das D2C im B2B noch eher die Ausnahme als die Regel - und funktioniert auch nur mit einer passgenauen Strategie.

Autorin: Eliza Hahnenstein

Während es in vielen B2C-Branchen in den vergangenen Jahren einen regelrechten "D2C-Boom" gab, kommt der Direktvertrieb im B2B-Bereich etwas zögerlicher in Fahrt. "Oftmals sehen B2B-Unternehmen diese Option schlicht nicht oder es fehlt an den Skills beziehungsweise Ressourcen", erklärt Ralph Hübner von den D2C-Advisors. Viele Unternehmen seien zudem von Effizienz geprägt – ein neuer Vertriebsweg passe in das ­Organisationssystem nicht rein. "Zukünftig werden aber auch immer mehr B2B-Firmen große D2C-Potenziale für sich ent­decken", so die Prognose des Consultants.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Unternehmen können anhand von Kundenprofilen wertvolle Daten gewinnen, die direkt in die Entwicklung neuer Produkte oder in die Sortimentsgestaltung einfließen oder für Up- beziehungsweise Cross-Selling verwendet werden können. Darüber hinaus ist lässt sich über D2C auch ein Kanal in Richtung Endverbraucher erschließen, was gegebenenfalls Wachstumsrückgänge auf traditionellen Vertriebskanälen kompensiert.

Wagner nutzt seine Sprühtechnik jetzt für Kosmetik

Wie das aussehen kann, zeigt unter anderem das Beispiel der Wagner GmbH. Der Maschinenbauer aus Markdorf verkauft Farbsprühsysteme an Industriekundschaft beispielsweise aus der Autoindustrie sowie an Handwerksbetriebe wie Maler oder Möbelmacher. ­Neben den Großanlagen und Professional-Geräten für den B2B-Bereich vertreibt Wagner aber auch kleinere Farbsprühsysteme an Heimwerker. Kunden können die B2C-Produkte über den Webshop oder über Handelspartner wie Hornbach kaufen.

Die Expertise aus dem Bereich der Sprühtechnik nutzt das Unternehmen nun auch für die Entwicklung einer neuen D2C-Brand. Als 100-prozentiges Tochterunternehmen ging im Juli 2021 die
Skincare-Marke Ioniq offiziell an den Start. Bei dem gleichnamigen Produkt "Ioniq One" handelt es sich um einen selbst entwickelten Beauty-Sprayer, der Sonnencreme, Bodylotion und Selbstbräuner dank einer neuartigen Technologie besonders gleichmäßig auftragen soll. "Die Idee, unsere Sprühtechnik-Technologie auf einen neuen Markt zu übertragen, gibt es schon seit 2013. Doch der Prozess bis hin zur Markteinführung 2021 war langwierig. Von der Adaption der Technik über die Entwicklung eines Prototyps und erste Anwendungsstudien bis hin zum fertigen Produkt im eigenen D2C-Webshop mussten wir einige Herausforderung meistern", erklärt Manuel ­Notheis, Product Manager bei Ioniq. Da es sich um eine komplett neue Marke mit eigener Zielgruppe handelt, mussten für viele Prozesse eigene Kapazitäten geschaffen werden.

In einem ersten Schritt galt es, die Technik von Wagner zu miniaturisieren. Nachdem entsprechende Kosmetikpartner sich noch zurückhaltend zeigten, entschied man sich bei
Ioniq dazu, nicht nur das Sprühsystem, sondern auch die verwendeten Beauty-Produkte mit einem Partner in der Schweiz selbst zu entwickeln. Während das Produktmanagement komplett losgelöst von Wagner ist, arbeitet Ioniq in Bereichen wie Entwicklung und HR eng mit dem Mutterkonzern zusammen. "Heute sind wir schon neun Mitarbeiter im Kernteam von Ioniq, die stetig daran arbeiten, das Produkt und die Marke weiterzuentwickeln. Das betrifft sowohl den Vertrieb, den wir mittlerweile bereits auf Marktplätze wie Douglas, Zalando oder Amazon erweitert haben, als auch die Erschließung neuer Märkte in Europa und Amerika. Auch ­eine Expansion in den B2B-Bereich ist für uns vorstellbar", ­erklärt Notheis. Darüber hinaus arbeitet man an einer Erweiterung der Produktpalette wie einem After-Sun-Spray.

In Zukunft soll das
Ioniq System auch für andere Beauty-Brands und deren Kosmetikformulierungen verfügbar gemacht werden. Die Rückmeldung der Kunden durch Ioniq-Newsletter, Testphasen und individuelle Interviews bildet dabei die Basis für die Konzeption neuer Produkte. Das Beispiel von Wagner zeigt, wie gut sich auch innerhalb eines Konzerns die unterschiedlichen Vertriebswege verbinden können.
 

Nichts geht ohne Strategie

D2C ist aber nicht gleich D2C. Vielmehr braucht jedes B2B-Unternehmen, das mit dem Gedanken spielt, auch Endkunden erreichen zu wollen, eine passgenaue Strategie. Es funktioniert nicht, seine Hofagentur mit der Entwicklung einer D2C-Strategie zu beauftragen. Denn dann bekommt man oft nur einen neuen Webshop, gefragt ist aber eine komplette Veränderung im Unternehmens-Mindset.

Dabei gilt es im Vorhinein intern wichtige Fragen zum Geschäfts­modell, der Vertriebsweise, zum Sortiment und der Zielgruppe zu beantworten. Im Falle von Wagner konkurriert das D2C-Produkt "Ioniq One" nicht mit den sonstigen B2B- und B2C-Produkten aus dem Stammsortiment. Konflikte mit Handelspartnern sind dadurch von vornherein ausgeschlossen.
Einen ähnlichen Fall stellt die britische Unternehmensgruppe Bullitt dar. Unter der Marke Caterpillar produziert das Unternehmen Bau- und Bergbaumaschinen sowie Diesel- und Erdgasmotoren. Parallel dazu wurde die Smartphone-Marke Cat ins Leben gerufen. Wie bei Wagner fand auch hier ein Technologietransfer statt. Basierend auf Erkenntnissen aus dem Maschinenbau wurden die Smartphones besonders zuverlässig und robust gebaut. 

Mit den CAT-Smartphones transferiert die Unternehmensgruppe Bullit ihr Technologie-Know-How in ein völlig neues Produkt
 Wer hingegen sein bestehendes Sortiment direkt an die B2B-Kunden vertreiben will, sollte sich im Vorfeld einen Überblick über die vorhandenen Geschäftsbeziehungen verschaffen und sich die folgenden Fragen stellen: Konkurrieren wir mit unseren eigenen Vertriebspartnern? Übersättigen wir mit unseren Angeboten und denen unserer Vertriebspartner den Markt? Denn eine übermäßige Konkurrenz zwischen den eigenen Vertriebskanälen und -partnern sollte vermieden werden.

Dabei kann es helfen, die Anzahl der Vertriebspartner in den Regionen zu begrenzen sowie Preis- und Rabattrichtlinien zu standardisieren. Eine gute und transparente Kommunikation ist essenziell. Der schwedische Motorgeräte Hersteller Husqvarna verfügt beispielsweise inzwischen über einen eigenen D2C-Webshop für alle Produkte rund um seine Mähroboter. Die Roboter selbst – für den professionellen wie den gewerblichen Gebrauch – können nur über einen der knapp 1.500 Fachhandelspartner in Deutschland gekauft werden. So soll ein übermäßiger Konkurrenzkampf vermieden und die Beziehung zu den Vertriebspartnern gestärkt werden. 

Die Kettensägen von Husqvarna finden sich zwar im Webshop, sind aber nur über Fachhandelspartner zu kaufen

Gerade jüngere B2B-Einkäufer erwarten heute von den ihren Herstellern, dass sie direkt erreichbar sind und auch online selbst verkaufen. Dabei müssen Unternehmen die Erfahrungen ihrer Geschäftskunden aus dem B2C-Handel als Benchmark nutzen: Zu einer reibungslosen Customer Journey gehört ein ansprechender und unkomplizierter Webshop mit einer Auswahl an verschiedenen Zahlungsoptionen. Um einen Wiedererkennungswert zu schaffen, sollte das Unternehmen außerdem eine eindeutige Markenbotschaft und ein klares Design aufweisen, konsistente Markenbilder an jedem Shopping-Touchpoint positionieren, eine einfache Navigation, effektive CTAs sowie Komfortfunktionen wie Express-Check-out und Abonnements anbieten.

Alleinstellungsmerkmale schaffen darüber hinaus auch personalisierte Inhalte, Produktempfehlungen und Angebote. Laut Accenture verlässt fast die Hälfte (48 Prozent) der Verbraucher eine Website, wenn die Produktempfehlungen dort schlecht kuratiert sind. Neukunden können über Prämienprogramme gewonnen und deren Loyalität gestärkt werden. Wichtig ist es dabei stets, den Mehrwert für den Kunden im Blick zu haben und als Marke möglichst authentisch zu sein.

Mit einem D2C-Vertriebsweg über einen eigenen Webshop, einen Marktplatz, die sozialen Medien oder New Retail hat man als Unternehmen die Chance, kreativ zu sein, Ideen auszuprobieren, einen lockeren Ton anzuschlagen und eine engere Verbindung zur Kundschaft aufzubauen.